Fragen und Antworten

Sie erleben - als älter werdender Mensch, als Angehörige oder als Pflegekraft - Situationen, die Ängste oder unerklärliche Gefühle und Reaktionen auslösen? Sie wollen verstehen, woher das Leiden in solchen Momenten rührt, und wie man es lindern kann?

Soll ich das Trauma ansprechen: ja oder nein? Worauf kommt es dabei an? Fünf Fragen von Fachleuten der Altenpflege; fünf Antworten für die Praxis.

Sollte ich einen Menschen darauf ansprechen, wenn ich die Vermutung habe, dass er oder sie etwas Traumatisches erlebt hat?

Ja, wenn im Moment des Gespräches und der Begegnung diese Vermutung „in der Luft liegt“. Wenn Sie Hinweise darauf haben und in Ihrer Resonanz spüren, dass ein traumatisches Erleben Ihres Gegenüber hier und jetzt wieder lebendig zu werden scheint. Auch wenn es sich nicht in Worten ausdrückt, aber vielleicht im Klang der Stimme, in der Art des Blickes, in erstarrenden oder nervösen Bewegungen... und wenn Sie diesen Menschen mögen und Interesse an ihm haben. Fragen ist Ausdruck davon, dass Ihnen dieser Mensch nicht gleichgültig ist, dass Sie sich für ihn interessieren.

Wichtig ist, dass Sie wirklich fragen, und die Antwort und die Reaktion ernst nehmen. Dass Sie ernst nehmen, ob und was die traumatisierte Person (Ihnen) erzählen möchte. Dass sie nicht insistieren, sondern behutsam und achtsam einen Gesprächs- und Begegnungsraum eröffnen. Der traumatisierte Mensch muss die Wahl haben und jederzeit die Freiwilligkeit und Erlaubnis spüren, den Gesprächsverlauf maßgeblich zu beeinflussen.

Wie kann ich reagieren, wenn mir jemand von traumatischen Erfahrungen erzählt?

Zuhören, zuhören, zuhören. Sie müssen nichts tun oder genauer gesagt: Sie dürfen, Sie sollten sich selbst nicht unter Druck setzen oder unter Druck setzen lassen, etwas „tun“, „machen“ zu müssen. Sie können nichts von dem traumatisierenden Geschehen ungeschehen machen, Sie brauchen, Sie können kein Hilfsprogramm entwickeln. Schenken Sie Ihrem Gegenüber Ihre Aufmerksamkeit, Ihre Präsenz.  Hören hilft. Mit-teilen hilft. Mit-fühlen hilft. Zu spüren, nicht allein zu sein mit dem traumatischen Schrecken hilft. Die gemeinsame Würdigung des leidvollen Erlebens und der Bewältigungsstrategien zum Überleben hilft. Wenn Unerhörtes Gehör findet, ist das heilend und tröstend.

Wann darf (soll?) ich nachhaken? Wie finde ich dabei den richtigen Ton?

Seien Sie wahrhaftig. Wenn Sie traurig werden, zeigen Sie es. Wenn Sie etwas empörend finden, was Ihrem Gegenüber angetan wurde, sagen Sie es. Wenn Sie interessiert und wissbegierig sind, fragen Sie nach. Der richtige Ton ist der wahrhaftige Ton, sind die wahrhaftigen Reaktionen.

Nachzuhaken im Sinne von: den Finger in die Wunde zu bohren und damit die Schutzmauer des traumatisierten Menschen zu verletzen, nur um das Trauma auszugraben und bloß zu legen, verbietet sich selbstverständlich. Nachzuhaken im Sinne von: weiterhin der Spur des Interesses folgen, dem bisher Ungehörten weiterhin Raum geben, den Gesprächsfaden wieder aufnehmen und ihn lebendig halten, ist dagegen sicherlich empfehlenswert.

Wann ist es richtiger (zunächst) vom Thema abzulenken? Und was hilft in diesem Fall?

Ablenken mag in Ausnahmefällen sinnvoll sein. Das gilt vor allem in Situationen der Überforderung: Zum einen, wenn z. B. der traumatisierte Mensch so in Hocherregung gerät, dass Ablenkung ein Teil eines Beziehungsangebotes zur Beruhigung ist. Oder aber, wenn es z. B. dem Schutz der Gruppe vor Überflutung dient. Zum anderen, wenn Sie überfordert sind. Dann allerdings ist Ablenken allenfalls die zweite Wahl. Besser wäre es, wenn Sie sagen würden, dass Sie gerade nicht zuhören können, dass Sie sich gerade nicht kümmern können, dass Sie gerade durch anderes abgelenkt sind. Hilfreich und notwendig ist, darauf zu verweisen oder zu vereinbaren, dass Sie sich zu einem anderen Zeitpunkt dem Thema und dem Menschen oder den Menschen widmen werden. Ehrlichkeit und Verlässlichkeit sind wichtiger als Ablenken.

Wenn ich eine Gruppe für ältere Menschen beispielsweise zum Thema „Kriegskindheiten“ anbiete, wühle ich damit nicht Dinge auf und mache es evtl. noch schlimmer?

Wesentlich ist, dass die Menschen freiwillig kommen, dass sie eingeladen werden und sicher sein können, die Einladung auch ablehnen zu dürfen. Sie als Einladende/r wühlen nicht auf, sondern geben dem Raum, was sowieso schon aufwühlt. Voraussetzung ist, dass Sie sich kompetent fühlen und gut darin ausgebildet sind, mit dem umzugehen, was kommt. Um einen sicheren, schützenden, vertrauensvollen Boden und Rahmen zu geben und sich damit auszukennen „wie Trost geht“.

Wir schlagen deshalb denjenigen Fachkräften, die traumatisierte alte Menschen begleiten, vor, zum Thema Kriegskindheiten nur die Menschen gezielt einzuladen, bei denen das Thema sowieso aktuell ist und die darunter leiden, und wenn Sie sicherstellen können, dass eine entsprechend qualifizierte Leitung da ist.

Bei „offeneren“ Ausschreibungen, so zeigt unsere Erfahrung, kann man sich mit einiger Sicherheit darauf verlassen, dass nur die Menschen der Einladung folgen, die sich durch das Thema angesprochen fühlen und sich durch eine An- und Aussprache Entlastung und Hilfe versprechen.

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