Trauma

Das Wort Trauma kommt aus dem Alt-Griechischen und bedeutet „Wunde“. Es gibt körperliche Traumata, zum Beispiel nach einem Beinbruch, und es gibt seelisch-soziale Traumata, zum Beispiel nach sexualisierter Gewalt oder Kriegserfahrungen. Als Trauma bezeichnet man nicht ein bestimmtes Ereignis, sondern eine bestimmte leidvolle Nachwirkung von Ereignissen. Als traumatisch werden Situationen erlebt, die

  • als existenziell bedrohlich erfahren werden und
  • deren Bewältigung die Bewältigungsmöglichkeiten der betroffenen Person übersteigt.

Zu den Folgen traumatischen Erlebens gehören Dissoziationen (Abtrennung von Wahrnehmungs- und Gedächtnisinhalten), Rückzug, Ängste, Scham, Verwirrung, emotionale Überflutung beziehungsweise Erstarrung, Krankheiten und anderes mehr. Viele dieser Folgen sind zuerst Schutz- und Warnfunktionen, die sinnvoll und nützlich sind. Menschen leiden daran, wenn sie sich verselbstständigen.

Die „Zeit danach“

Die traumatische Situation besteht aus dem Traumaereignis, zum Beispiel dem Unfall, der Bombardierung oder der Vergewaltigung, und dem Traumaerleben, also der Art und Weise, wie das traumatische Geschehen erlebt wird. Gabriele Frick-Baer hat nachgewiesen, dass zur traumatischen Situation auch noch die „Zeit danach“ gehört. Damit wird die Zeit nach dem Ereignis bezeichnet, die individuell unterschiedlich lang sein kann. Erfahren Opfer sexualisierter Gewalt oder andere Menschen, die ein traumatisierendes Ereignis erleben mussten, in der Zeit danach Hilfe, Trost, Parteilichkeit und andere Unterstützungsformen, so können diese wesentlich zur Heilung der meisten Traumata beitragen. Werden Opfer allein gelassen oder gar beschämt oder beschuldigt, bleibt die Wunde offen.

Zeugen

Zeugen traumatisierender Erfahrungen können die gleichen Folgen erleben wie die unmittelbar betroffenen Menschen. Wer zum Beispiel als Kind eine Vergewaltigung der Mutter oder die Verletzung (oder den Tod) von Nachbarn oder Familienmitgliedern miterlebt hat, der kann genauso traumatisiert sein und an den Traumafolgen leiden wie die unmittelbar Betroffenen. Menschen sind in der Lage, über spezialisierte Systeme im Gehirn (Spiegelneuronen) das Leid anderer Menschen mitzufühlen – das ist die Grundlage für den Prozess der Zeugen-Traumatisierung.

Posttraumatisches Stress-Syndrom

Die Weltgesundheitsorganisation WHO veröffentlicht in regelmäßigen Abständen eine „Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme“ (Englisch: „International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems“ - kurz ICD); das zurzeit gültige hat die Ziffer 10: ICD 10. Dort ist als Folgestörung traumatischer Erfahrungen das „Posttraumatische Stress-Syndrom“ (PTSS, oft auch PTSD abgekürzt nach der englischen Bezeichnung „post traumatic stress disorder“) aufgeführt. Das PTSS ist ein Syndrom, also eine Ansammlung wiederkehrender Symptome. Die wichtigsten sind laut ICD 10

„…das wiederholte Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallerinnerungen, Flashbacks), Träumen oder Alpträumen, die vor dem Hintergrund eines andauernden Gefühls von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit auftreten. Ferner finden sich Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen, Teilnahmslosigkeit der Umgebung gegenüber, Freudlosigkeit sowie Vermeidung von Aktivitäten und Situationen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen könnten. Meist tritt ein Zustand von vegetativer Übererregtheit mit Vigilanzsteigerung, einer übermäßigen Schreckhaftigkeit und Schlafstörung auf. Angst und Depression sind häufig mit den genannten Symptomen und Merkmalen assoziiert und Suizidgedanken sind nicht selten. Der Beginn folgt dem Trauma mit einer Latenz, die wenige Wochen bis Monate dauern kann.“

Flashback

Ein Flashback ist ein blitzartiges Auftauchen eines früheren Erlebens, ein Wiedererleben der traumatischen Erfahrung. Die betroffenen Menschen erinnern sich nicht an ein früheres Erleben, sondern das frühere Erleben ergreift sie in der Gegenwart. Der Schrecken der traumatischen Situation blitzt wieder auf, als wäre er gegenwärtig – mit den entsprechenden Gefühlen und Körperreaktionen.

Flashbacks gehören zu den typischen Folgen von traumatischen Erfahrungen. Sie werden ausgelöst durch so genannte Trigger - Sinneserfahrungen, die einem Menschen signalisieren, dass eine ähnliche Gefahr „wie damals“ droht. Dies geschieht unbewusst und ist von den Betroffenen nicht kontrollierbar. Durch therapeutische Bearbeitung eines Traumas können bei den meisten Menschen die Kraft und die Häufigkeit von Flashbacks verringert werden.

Trauma-Reaktivierung

Diesen Begriff verwendet man, wenn ein – auch schon lang – zurückliegendes Trauma  wieder genauso oder ähnlich wie in der damaligen Situation erlebt wird; ausgelöst durch bestimmte Schlüsselreize: siehe Trigger.  

Trigger

Das Wort Trigger stammt aus dem Englischen und bezeichnet einen „Auslöser“ oder „Schlüsselreiz“. Ein Traumaerleben kann wieder ausgelöst werden durch sinnliche Erfahrungen (Trigger), die ähnlich denen der traumatischen Situation sind. Triggern kann ein bestimmtes Geräusch, ein besonderer Geruch, Dunkelheit, eigene Hilflosigkeit, ein bestimmter Blick und vieles andere mehr. Auch Berichterstattungen im Fernsehen, bestimmte Lieder oder Dialekte können diese Wirkung entfalten. Nicht immer muss es sich dabei um konkrete Erinnerungen handeln, sondern häufig ist es eher ein körperliches Erleben (eine „getarnte“ Erinnerung des Körpers) wie Herzrasen, Atemnot, Orientierungslosigkeit oder Gefühle der Angst und Panik. Dabei müssen die triggernden Sinneseindrücke nicht exakt denen der traumatischen Situation entsprechen. Es reicht, dass sie Ähnlichkeiten aufweisen, um ein Flashback oder eine andere Wiederholung des Traumaerlebens auslösen zu können.

Retraumatisierung

Bei einer Retraumatisierung trifft eine erneute traumatisierende Erfahrung auf ein bereits bestehendes zurückliegendes Trauma. So kann zum Beispiel bei einer alten Frau, die vergewaltigt wurde, in einer Pflegesituation das Legen eines Katheders als existenziell bedrohlich erlebt werden  und mit („unangemessen“) massiven Gefühlen der Ohnmacht und Bedrohung einhergehen.